Das Museumkonzept des Badischen Landesmuseum spricht seine Besucher*innen als Nutzer*innen an (Badisches Landesmuseum 2018). So ist es auch seit 2019 in der Ausstellung „Archäologie in Baden“ zu lesen. Dabei wird eine wünschenswerte Interaktion vorweggenommen, die es Menschen im Museum ermöglicht, alle Bestände aktiv zu nutzen. Oder online auf der Webpage das digitale Angebot in Anspruch zu nehmen. Dieses Postulat erinnert mich an einen Workshop zu Qualitätsmanagement in Kultureinrichtungen vor einigen Jahren, in dem es nach stundenlanger aufgeregter Diskussion von zwanzig Theater- und Museumsmanager*innen zu keiner Einigung kam, ob Besucher von Kultureinrichtungen nun als Nutzer*innen oder nicht doch als Kund*innen zu sehen sind. Die Antwort muss tatsächlich multiperspektivisch ausfallen. Denn die Menschen in Museen, sind je nach Situation und Sichtweise nicht nur interagierende Nutzer*innen und zahlende Kund*innen sondern auch willkommene Gäste, berechtigte Eigentümer*innen und als Publikum Vertreter*innen der Öffentlichkeit. Jede dieser Rollen bringt eigene Bedürfnisse mit sich und verlangt eine eigene Aufmerksamkeit und Ansprache. 

Diesen Rollen zu entsprechen, erfordert eine multiperspektivische Betrachtung der Organisation Museum und nicht als eine Abfolge unterschiedlicher Paradigmen. Dem Philosophen Jürgen Habermas verdanken wir einen differenzierten Blick auf die Öffentlichkeit. Die Unternehmensmetapher für öffentliche Institutionen hat wiederum ihren Ursprung im Reformmodell des New Public Management der 1990er Jahre: Museumsbesucher als Kund*innen zu betrachten hatte damals aufgrund verkrusteter Strukturen durchaus Berechtigung. In der Folge wurde die Kundenorientierung laut getrommelt, unter einer allzu optimierten Besucherlenkung – insbesondere in Hinblick auf den Tourismus – kann aber wiederum die künstlerisch-wissenschaftliche Autonomie leiden (vgl. Steiner 2019). Das Modell des Museums als Gastgeber klingt vertraut, bleibt aber im Hinblick auf die Organisation vielfach unklar und unverbindlich. Das Konzept der Nutzer*innen wird gerade durch die Digitalisierung besonders propagiert, ist aber als geistiges Kind des Utilitarismus nicht ganz unproblematisch. Schließlich sind die mit diesen Perspektiven verbundenen Erwartungshaltungen durchaus unterschiedlich: Als Kunde möchte ich eine Leistung für meinen Eintrittspreis. Als User wünsche ich mir eine großartige User Experience. Als Gast möchte ich mich willkommen fühlen. Und als Miteigentümer des öffentlichen Guts wünsche ich mir einen sorgsamen Umgang und gute Zugänglichkeit. Und als Nutzer*in?

Wir werden künftig also gleichberechtigt mit den Begriffen Besucher*in, Nutzer*in, Kund*in, Gast und Eigentümer*in umgehen müssen. Und mit der Tatsache, dass manche Mitarbeiter*innen funktions- und ausbildungsbedingt, dem einen oder anderen Konzept näherstehen: das Aufsichtspersonal dem Gast, die kaufmännischen Mitarbeiter dem/der Kund*in, die Kurator*innen dem Publikum, Outreach-Kurator*innen der Stadtgesellschaft und den Neubesucher*innen, die digitalen Vermittler*innen dem/der Nutzer*in und der/die Koservator der/dem Eigentümer/in. Um Zielkonflikte zu vermeiden, ist die Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen zu intensivieren und das Verständnis zu fördern, das sich die unterschiedliche Sichtweisen pragmatisch bewähren können. Es bedarf einer funktions- und bereichsübergreifenden Reflexion der Sicht auf die Menschen, die ins Museum kommen – über das Verständnis von Rollen und die Erwartungen innerhalb wie außerhalb der Organisation.

Welche Perspektive habt ihr auf die Besucher? Was ist bei euch dominant? Wie schlagen sich die Sichtweisen auf die Organisation Eures Museums nieder? Und geht bei diesem Fokus auf Besucher*innen nicht immer wieder der Blick für die Noch-Nichtbesucher*innen und Neubesucher*innen verloren?

Foto:

Thomas Heskia (Displaywand in der Ausstellung Archäologie in Baden, Badisches Landesmuseum)

 

Ref.:

Badisches Landesmuseum (Hg.) (2018): Museumsbesucher zu Nutzern machen! Das neue Konzept für das Badische Landesmuseum. Konzeptpapier. Karlsruhe: Badisches Landesmuseum.

Steiner, Barbara (2019): Doch künstlerische Freiheit ist voll und ganz gegeben, in: Matthias Beitl, Beatrice Jaschke und Nora Sternfeld (Hgg.), Gegenöffentlichkeit organisieren. Kritisches Managaement im Kuratieren, Wien und Berlin: de Gruyter

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